Abenteuer Restaurierungsarbeiten - Details und "Kleinigkeiten"
Entmisten, entkernen, entsorgen - neues Dach, neuer Putz, neue Installationen, neue Heizung, neues Grün.Die Restaurierung eines traditionellen Bauernhauses endet allerdings nicht "im Großen". Gerade die "Kleinigkeiten" sind es, die einerseits besondere Herausforderungen darstellen können und andererseits unverzichtbar für das Gelingen eines solchen Projektes sind.
Einige Beispiele:
Der Schlussstein
So wird der Sturz über der Haustür genannt. Beide bilden die "Visitenkarte" eines Bauernhauses. Je aufwändiger die Verzierungen, desto mehr Wohlstand im Haus - so die damalige Faustregel. Der Schlussstein des 'Kreitzenhauses' ist relativ einfach gehalten und verweist lediglich auf das Baujahr (1840) und die Initialen der Erbauer KN und KM: Kreutz, Nikolaus und Kreutz (Kruchten) Margarete. Da der Sandstein über 180 Jahre allen Wettern trotzen musste, sind die Insignien nur noch mit Mühe zu erkennen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Sandsteingewände mehr als 50 Jahre mit einer dampfundurchlässigen Farbe überstrichen waren, die mehr Schaden als Nutzen brachte.
Immerhin kann die Denkmalbehörde den Schlussstein als Beleg für das tatsächliche Baujahr und die Erbauer verwenden.
Haustür und Treppenstufen
Die Haustür ist ebenfalls sehr schlicht gehalten. Man kann davon ausgehen, dass sie irgendwann, Anfang des 20. Jahrhunderts, neu gefertigt und eingebaut wurde. Wir beauftragen einen Tischler, die Tür zu restaurieren und ein Bolzen-Sicherungsschloss einzubauen. Die Farbe laugen wir selbst ab und lasieren die Haustür neu.
Wenn man auf das Foto klickt, kommt ein Stück "Treppengeschichte" zum Vorschein. Oben kann man eine große Sandsteintreppe erkennen, die vermutlich in der 2. Hälfte des 20. Jh.'s gegen ein damals "modernes", aber unpassendes Terrazzo-Modell ausgetauscht wurde (Bildmitte). Auf der Suche nach einem stilgerechten Ersatz sind wir in Mettlach auf zwei Sandstein-Blockstufen eines Abrisshauses gestoßen, die auch von den Maßen gut gepasst haben (unten).
Die Fliesen im Hausflur
Im Flur finden wir grobe graue und blaue Zementfliesen vor. Das hat nun nichts mit dem kunstvoll verlegten Kleinmosaik zu tun, für das Eingangsbereiche von manchen Bauernhäusern bekannt sind. Obwohl unser Ansinnen ist, möglichst viel Originalsubstanz zu erhalten, erkennen wir sofort: Das ist nicht original und da muss was Passenderes her. Weil Kauf und Verlegung eines neuen Kleinmosaiks sehr teuer kämen, suchen wir nach Alternativen. Zufällig bringt 'Villeroy & Boch' in dieser Zeit eine neue Fliesenkollektion namens "Saareck" auf den Markt, die mit dem Motiv eines typisch saarländischen Kleinmosaiks ein guter Kompromiss ist.Holländische Impressionen
Wer das 'Kreitzenhaus' betritt, steht im Flur gleich vor drei Wandbildern - in der Terminologie des Landesamtes für Denkmalschutz heißt das "Veduten", umgangssprachlich "wirklichkeitsgetreue Landschaftsmalerei". In der Tat haben frühere Kreutzen-Eigentümer im Flur drei Bilder direkt auf dem Ölanstrich angebracht/anbringen lassen. Die Motive entstammen allesamt der holländischen Region/ Küste. Diese Vorliebe setzt sich in der Küche fort. 15 Motivfliesen mit holländischen Impressionen sorgen für "Nordsee-Gefühle" im nördlichen Saarland. Woher diese Begeisterung kommt, wissen weder wir noch die Nachfahren der Kreutzen-Familie.
Übrigens: Ölfarbe und Gipsverputz an Flurwänden und -decke haben wir abgemeißelt. Die wasserdampfundurchlässige Farbe sorgte für ständiges Schwitzwasser. Um die Veduten zu erhalten, haben wir mit der Trennscheibe eine Nut drumrum gefräst und später den neuen Kalk-Sand-Putz sorgfältig beigeputzt. So bleiben sie auch heute noch und in Zukunft ein ganz besonderes "Schmuckstück" eines Südwestdeutschen Bauernhauses.
Innentüren und Schlösser
Die Türen können wir fast alle original erhalten. Natürlich müssen sie ausgebessert, bisweilen auch restauriert werden. Die meisten sind mit der einst beliebten "Bierlasur" gestrichen. Dabei werden Pigmente in Bier eingerührt, um so eine Holzmaserung vorzugaukeln. Nachdem wir die betroffenen Türen mühevoll abgelaugt und wieder geölt haben, stellen wir uns die Frage, warum diese Kunstmaserung den "Altvorderen" besser gefiel als das schöne Eichen-, Kiefern- oder Fichtenholz, das die Türen "pur" zu bieten hatten - vom Charme der (längst verlassenen) Holzwurmgänge ganz zu schweigen...
Die wahrscheinlich älteste Tür des 'Kreitzenhauses' befindet sich zwischen Hausflur und Esszimmer (früher 'Harst'). Sie ist nur 1,8m hoch (die Menschen waren im 19.Jh. halt kleiner) und hat ein besonderes Schloss. Der (Fall)Riegel wird über einen 'freischwebenden' Drücker aus der Verankerung gehoben. Dieses Schloss ist ein guter "Test" zur Unterscheidung von Stadtkindern und Landeiern. Letztere kennen oft aus der Kindheit solche Schlösser an Scheunentoren, Stalltüren usw.. Stadtkinder verzweifeln regelmäßig und müssen gelegentlich "gerettet" werden...
Sämtliche anderen alten Innentüren verfügen über Kastenschlösser, wie es sie auch schon seit einigen hundert Jahren gibt. Im Unterschied zum eben beschriebenen Fallriegel sind sie (prinzipiell) abschließbar. Offenkundig wurden gelegentlich Schlösser ausgetauscht bzw. nachträglich eingesetzt. Das zeigen auch die Beispielfotos.
Fenster und Läden
Die ältesten Typen der saarländischen Bauernhausfenster bestehen aus den beiden am Blendrahmen angeschlagenen, durch Sprossen unterteilten Drehflügeln. Später wurden über einem feststehenden Kämpfer auch Oberlichter eingesetzt - meist zwei kleinere Drehflügel.
Im 'Kreitzenhaus' gibt es sowohl die "klassischen", hier dreigeteilten, Flügel (in der Rückfront) als auch Drehflügelfenster mit Oberlicht (in der Vorderfront). Da letztere aus langlebigem Eichenholz gefertigt sind, habe ich nach einer Lösung gesucht, um die tragenden Holzteile zu erhalten und dennoch Isolierglas einbauen zu können. Dank einer kleinen Firma aus dem Hunsrück ist das gelungen. Sie hat den vorhandenen Holzrahmen leicht aufgeschnitten und passend Doppelglasscheiben eingebaut. Eine besondere Restaurierungsmethode, die von Bauernhaus-Jury und Experten sehr gelobt wird. Von den rückwärtigen "einfachen" Fenstern kann nur ein Teil erhalten werden. Die anderen werden von einer Schreinerei aus dem Nachbarort "nachgebaut" - mit Einfach-Verglasung, um die Sprossen entsprechend schmal halten zu können. Die Isolierung übernehmen hier mit Abstand eingesetzte zusätzliche neue Fenster. Dieses "Doppel" nennt man Kastenfenster. Alle Läden der Rückfront müssen erneuert werden - das verwendete Fichtenholz ist längst verfault, manche Läden fehlen ganz. Die stilgerechten Nachbauten der aufwändiger gestalteten Läden im Obergeschoss hat wiederum die Schreinerei angefertigt, an den einfacheren mit Nut-und Feder-Brettern im Erdgeschoss habe ich mich selbst versucht.
Im Sommer 2023 findet die letzte Aktion statt. Auf dem linken Bild sieht man einen Teil des Werkzeugs bzw. der "Zutaten". Im Hintergrund links ein angeschliffener und grundierter Laden, rechts daneben das Gegenstück, bereits zweimal lasiert. Um eine besser Deckung/ einen besseren Schutz zu erzielen, wird jeder Laden mindestens drei bis vier Mal auf der Vorder- und Rückseite lasiert. Auf dem rechten Bild sind die schon fertig gestrichenen Läden zu sehen, die beiden vor dem Scheunentor sind noch nicht ganz soweit...
Treppen
Überhaupt: die Treppe! Nicht jeder Handwerker kann sich mit dem Gedanken anfreunden oder verfügt über das Knowhow, im historischen Stil "nachzubauen". Verzierungen, Streben, Tritte: "Das macht man heute anders!"...heisst es vielfach. Und so haben wir Glück, dass eine Losheimer Schreinerei zugänglich, kompetent und kompromissbereit ist. Kaum ein Besucher merkt, dass das Geländer im Obergeschoss alt (sprich: original), die Treppen ins Erdgeschoss beziehungsweise ins zweite Obergeschoss neu sind.