Schlicht und ausgezeichnet

1984 ruft das (heute nicht mehr existierende) „Institut für Landeskunde im Saarland“ den Wettbewerb „Saarländische Bauernhäuser – Zeugnisse unserer Heimat“ ins Leben. Alle zwei Jahre soll der Wettbewerb stattfinden. (Er tut es bis heute, wenngleich unter neuer Führung). Ziel ist es, "das Bewusstsein um die Bauernhäuser als kulturelles Erbe in unserer Heimat zu stärken und dazu beizutragen, alte regionaltypische Bauernhäuser soweit wie möglich in ihrem ursprünglichen Charakter durch stilgerechte Pflege und Restaurierung zu erhalten".
Mittels Ruhm, Ehre und Preisgeldern soll "die Eigeninitiative der Eigentümerinnen und Eigentümer alter Bauernhäuser – einschließlich Arbeiterbauernhäuser – zur Erhaltung und Pflege überkommener Bausubstanz angeregt und gefördert werden. Vorbildliche Leistungen auf diesem Gebiet sollen weitere Eigentümerinnen und Eigentümer von alten Bauernhäusern zur Nachahmung bewegen". Landesregierung und Sparkassenverband unterstützen die Initiative finanziell und ideell.

Eine recht aufwändige "Bauernhausfibel" wird gedruckt, um den SaarländerInnen Chancen und Sünden von Bautätigkeiten eindrucksvoll vor Augen zu führen.

Fibel

Anders als für manche Regisseure, Autoren oder Wissenschaftler, die Filme, Bücher und Forschungen auf Preiskrönungen hin realisieren, sind solche Aussichten nicht Motor meiner Bemühungen. Aber als 1992, nach über sechs Jahren "Plackerei", abnehmendem Frust und zunehmender Freude das Haus wieder ansehnliche "Gestalt" annimmt, läßt mich der Gedanke nicht los, im Wettbewerb zu zeigen, dass auch "Arme-Leute-Häuser" einen Platz im "Olymp" des Bauernhaus-Wettbewerbs finden können - na, zumindest eine Anerkennung wert sein müssten.

Und so bewerbe ich mich zunächst auf Kreisebene - und als das erfolgreich ist - auf Landesebene für den Bauernhauswettbewerb 1992. Mit Herzklopfen erwarten wir die Jury: gestandene Landeskundler, Architekten, Professoren, die mit spitzem Bleistift vor, in, hinter und ums Haus eilen und sich fleißig Notizen machen. Ob ich denn "autochthon" sei, fragt einer der Gelehrten. Der Begriff ist mir nicht mal an der Uni begegnet, aber ich bejahe "vorsichtshalber". Natürlich habe ich sofort nachgelesen, dass "Autochtone" Lebewesen sind, "die im aktuellen Verbreitungsgebiet entstanden oder dort im Zuge von natürlichen Arealerweiterungen, d. h. ohne menschlichen Einfluss, eingewandert sind". "Einheimisch" hätte ich als Bauernhausbesitzer besser verstanden...

Es verstreichen Wochen und dann kommt Post. Ich werde - mit Partnerin - zur Preisverleihung nach Perl eingeladen. Immerhin! Stolz reisen wir - mit den Eltern - an die Obermosel. Das Vereinshaus ist brechend voll, Minister, Sparkassenpräsident und zahlreiche Kommunalpolitiker geben sich die Ehre. Der Beckinger Bürgermeister schickt einen Beigeordneten - im Rathaus rechnet offensichtlich niemand mit einem größeren Erfolg. In der Gemeinde und im Ortsteil gelten wir bei nicht wenigen als "Spinner aus der Stadt", die viel gutes Geld in eine "alte Bruchbude versenkt haben".

Die fünf lobenden Anerkennungen werden bekanntgegeben. Dann zwei dritte Preise, sogar zwei zweite Preise. Und wir nicht dabei!
Ich frage mich, ob die Einladung auf einem Missverständnis beruht oder "Versagern" demonstrieren soll, wie man es richtig macht...

"Der erste Preis des Saarländischen Bauernhauswettbewerbs 1992 geht an ... Willibrord Ney aus Reimsbach!"

Schluck! Minister, Sparkassenpräsident und die vielen wichtigen Gäste applaudieren und gratulieren. 'Kreitzenhaus' ist das einzige, an dem es nichts zu meckern gibt.SZ-Preis
Meine Eltern sind noch stolzer als wir. In den folgenden Tagen wird mir zugetragen, dass im Rathaus, in der Gemeinde und im Dorf "jeder schon lange vorher gewusst hat, dass ein solch' tolles Haus gewinnen muss..."
Der Bürgermeister lädt zur Privataudienz ein und überreicht einen Wappenteller.
Der Köllertaler Heimatdichter und Maler Georg Fox wird beauftragt, auch das Reimsbacher Bauernhaus in eine Mappe mit Beckinger Aquarellen aufzunehmen. Ich erhalte das Aquarell 7/150, das mir übrigens super gefällt!

Fox-Kreitzenhaus


Was der Bauernhauswettbewerb eigentlich soll

Hintergrund-Wettbewerb

Weitere Auszeichnungen folgen:

"Grüne Hausnummer" des saarländischen Umweltministeriums (2003)
und Erkennung als
Denkmal nach dem Saarländischen Denkmalschutzgesetz (2023)